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Philosophische Beratung
- Fallbeispiele nach: "Lou Marinoff:  Bei Sokrates auf der Couch"
 
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Hier soll im Folgenden die Herangehensweise von Lou Marinoff an zwei Beispielen dargestellt werden. Er unterscheidet fünf Schritte, die in dem Wort PEACE (peace = Frieden) symbolisiert sind, bewährt: P = Problem, E = Emotionen, A = Analyse, C = Contemplatio, E = Equilibrium (Gleichgewicht).
 
Fallbeispiele:
 
TONYA: Tonya lässt sich beraten wegen ihrer Sorge, dass sie den falschen Mann geheiratet habe.  Aber Tonya fügte dann gleich hinzu, dass sie jedesmal nach zwei oder drei Jahren in einer Partnerschaft anfing, sich unzufrieden zu fühlen.  Mit ihrer Hochzeit wollte sie das erste Mal eine dauerhafte Beziehung eingehen, doch gleichwohl stellten sich die alten Gefühle wieder ein.  Hatte sie einen schrecklichen Fehler begangen?  Trotz ihrer Zweifel liebte sie ihren Mann sehr, wie sie sagte.  Sie wollte an ihrer Ehe festhalten und hatte dennoch das Gefühl, eingesperrt zu sein.  Wir werden diesen Fall nach dem Schema des PEACE-Prozesses untersuchen, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie der philosophische Berater Tonya geholfen hat.
Ihr Problem war klar: Sie hatte Angst, ihre Beziehung könne scheitern.  Aus dieser grundlegenden Besorgnis erwuchsen Tonya zusätzliche Ängste: dass sie unfähig sei, eine dauerhafte Beziehung zu führen, und dass eine dauerhafte Beziehung ein Gefühl von Eingesperrtsein bedeute.  Genauso klar war sie sich über ihre damit verbundenen Gefühle - außer der Angst kamen noch Schuldgefühle, Traurigkeit, Unsicherheit, Unruhe und Einsamkeit hinzu.
Erst bei der Analyse begannen für Tonya die Schwierigkeiten.  Sie beschrieb sehr fachmännisch ihre psychologische Vergangenheit und referierte dabei verschiedene Themen so genau, dass klar war, dass sie einige Zeit in Therapie verbracht hatte. (Um es nochmals zu betonen, psychologische Beratung kann in dieser Hinsicht sehr hilfreich sein: als Hilfe, sich selbst kennenzulernen.) Aber als es dann darum ging, mögliche Verhaltensweisen zu entwickeln, sah sie nur wenig Möglichkeiten: an der Ehe festzuhalten, ob sie es mochte oder nicht (diesen Weg hatten ihre Eltern gewählt), oder sich einzugestehen, dass sie nicht für eine dauerhafte Partnerschaft geschaffen war.  Das würde die Scheidung bedeuten und auch die Verabschiedung von der Vorstellung, sich jemals fest zu binden.  Die Möglichkeit, die sie trotz ihrer Offensichtlichkeit übersah, war, glücklich verheiratet zu bleiben.
Ihr Berater begleitete Tonya durch die Phase der Kontemplation. Als er sie fragte, was sie damit meine, an ihrer Ehe festhalten zu wollen, antwortete sie, sie sei eine Verpflichtung eingegangen und erfülle sie gemäß den Erwartungen seitens ihrer Familie und der Gesellschaft.  Das spiegelte eine philosophische Haltung wider - Ehe als Verpflichtung anderen gegenüber -, die nicht sehr hilfreich für sie war.
Als ihr eine andere Sichtweise von Ehe vorgestellt wurde, stimmte Tonya zu, dass eine Ehe auch eine Verpflichtung sein konnte, die man einging, um eine aufrichtige, monogame Beziehung zu führen, und auch, um den Wünschen und Bedürfnissen von jemand anderem entgegenzukommen.  Ihr wurde bewusst, dass es ihre eigene Entscheidung war, ob sie bei ihrem Mahn blieb oder ihn verließ, und dass es nicht die Umstände waren, die ihr das aufzwangen.  Sie sagte, der einzige Grund, warum sie ihrem Mann nicht untreu werden würde - falls sie in die Versuchung geriete -, sei der, dass sie ihn nicht verletzen wolle. Sie hatte das immer so empfunden, als ob er sie zu etwas drängte, was sie gar nicht tun wollte.  Aber jetzt wurde ihr klar, dass sie selbst die Entscheidung traf, indem sie die Möglichkeit, mit anderen Männern zusammen zu sein, ablehnte.  Sie handelte eigenständig und ihre oberste Priorität dabei war, den Mann, den sie liebte, nicht zu verletzen.  Sie wollte ihm wirklich nicht weh tun.
Tonya folgerte daraus, dass eine Verpflichtung kein Verlust an Freiheit war, sondern eher eine Ausübung von Freiheit.  Tonya strukturierte ihre philosophische Auffassung von Beziehungen neu um diese zentrale Einsicht herum.  Und diese Verschiebung der Perspektive machte für sie einen großen Unterschied.  Zu erkennen, dass die Möglichkeit, ihren Mann zu verlassen, stets da war - und dass sie ständig die Entscheidung traf, zu bleiben -, ließ Tonyas Ängste schwinden.  Sie fühlte sich nicht länger eingesperrt, denn sie wusste, es gab einen Ausgang.  Aber sie hatte sich entschieden, ihn nicht zu benutzen.
 
Niemand ist frei, der nicht selbständig Entscheidungen trifft.  PYTHAGORAS
 
Tonya und ihr Mann hatten immer noch die Arbeit vor sich, die alle Paare bewältigen müssen, um ihre Beziehung aufrecht zu erhalten.  Aber ohne die Anerkennung einer fundamentalen Verpflichtung gibt es nichts, worauf man bauen könnte.  Dieser erste Schritt war für Tonya der entscheidende.
In Tonyas Fall hatte das, was sie über ihre Probleme in der Partnerschaft gelernt hatte, auch Auswirkungen auf andere Bereiche ihres Lebens.  Am auffälligsten war, wie sie sich mit ganzem Herzen ihrer Arbeit widmete, mit der sie seit Jahren Schwierigkeiten gehabt hatte.  Indem sie sich von ihrer Angst, in einer Beziehung gefangen zu sein, befreite, hatte sie sich auch von der Angst befreit, im Erfolg gefangen zu sein.  So konnte sie sich ganz ihrer Arbeit hingeben, in der sie plötzlich erfolgreich wurde.  Tonya ist ein gutes Beispiel dafür, wie die schwierige und manchmal schmerzhafte Arbeit, sich eine Philosophie zu erschließen, um damit eine bestimmte Situation zu meistern, jemandem auch in anderen Lebensbereichen von Nutzen sein kann.
 
Sherman:  GOTT HAT MICH ÜBERFALLEN 
 
Sherman war ein bekehrter Alkoholiker und Drogenabhängiger, der seine Jugendzeit mit Diebereien und Einbrüchen verbracht hatte, um damit seine Süchte zu finanzieren.  Vor einigen Jahren wurde ihm plötzlich klar, dass er sein Leben verschwendete.  Das war für ihn der Anlass, clean zu werden, sich in eine Universität einzuschreiben und nebenher zu arbeiten.
Sherman hatte indianische Eltern, war aber schon als kleines Kind von einem weißen christlichen Paar adoptiert worden.  Die Suche nach einer Spiritualität, die hauptsächlich auf dem Glauben seiner Vorfahren beruhte, hatte bei der Änderung seines Lebenswandels eine große Rolle gespielt.  Er eignete sich Wissen über ein Geistwesen an, das von seinem Stamm verehrt wurde und kombinierte diesen Glauben mit New-Age-Vorstellungen über Gott.  Sein persönlicher Glaube an einen lieben  und wohlwollenden Gott, der über allem steht, erlaubte es Sherman, sich seinen früheren Lebensstil zu vergeben - und sich durch Gottes Gnade an-genommen zu fühlen.  Er glaubte, dass alles ein Teil von Gottes Plan sei und ver-stand alles, was ihm widerfuhr, als eine Folge von Gottes Liebe.
Als Sherman aber eines Nachts, als er mit einem Freund nach einem Kinobesuch nach Hause ging, von einem messerschwingenden Räuber überfallen wurde, geriet er in eine Glaubenskrise.  Wie konnte Gott so etwas zulassen?  Vor allem jetzt, nach seinem hart erarbeiteten Erfolg, sein Leben in Ordnung zu bringen.  War das eine Art von göttlicher Vergeltung für seine früheren Untaten?  Oder die Bestrafung für neuerliche Sünden?  Auch wenn er in letzter Zeit nichts verbrochen hatte, was sich mit seinen früheren Taten vergleichen ließe.  Er wurde zornig auf Gott, da er sein Vertrauen enttäuscht hatte, und er fragte sich, ob er sich nicht grundsätzlich in Gott getäuscht hatte.  Dann fühlte er sich schuldig, weil er auf Gott zornig war und seinen Glauben in Frage stellte.  Dann wurde er noch zorniger darüber, dass er sich schuldig fühlte.  Für Sherman war der Überfall selbst nicht so schlimm wie die Er-schütterung der Grundfesten seines Glaubens.  Denn wenn diese Grundfesten zerstört waren, verlöre er seine Identität als geliebtes Kind eines wohltätigen Gottes.  Was wäre sein Lebenszweck, wenn nicht der, Gottes Zwecken zu dienen?  Ansonsten würde nichts zwischen ihm und einem Leben als Verbrecher stehen.
Sherman erlebte einen Konflikt zwischen seinen Überzeugungen (ein wohlwollender Gott kontrolliert alles, was uns widerfärt) und seiner Erfahrung (ich bin überfallen worden).  Da die Erfahrung nicht zu leugnen war, er seine Überzeugungen aber nicht einfach aufgeben konnte, suchte er philosophische Beratung.
Shermann war in seiner eigenen Logik gefangen.  Er begann, seine Überzeugungen zu überprüfen, so schwer es auch für jemanden war, der sich als fest im Glauben betrachtete.  Zusammen mit seinem philosophischen Berater erstellte er eine Liste alternativer Erklärungen: .......
 
GIBT ES EINEN ZWECK, WENN ES KEINEN GOTT GIBT?
 
Es muss nicht notwendigerweise der Fall sein, dass es keinen Daseinszweck gibt, wenn es keinen Gott gibt.  Sie müssen auch nicht verzweifeln, wenn Sie sich der Existenz Gottes nicht sicher sind.  Wenn die Schöpfungsgeschichte Ihnen als Erklärung für das Leben, so wie wir es kennen, nicht ausreicht, dann bedeutet das nicht, dass es gar keine Erklärung gibt.  Es gibt viele plausible Theorien, wie man an der Länge von Shermans Liste ablesen kann, die er sich gemacht hat, um lediglich seine spezifische Situation zu. erklären.  Selbst wenn wir alle nur zufällig existieren sollten, dann ist das kein Grund zu glauben, dass Ihr Leben zwecklos ist.  Wenn Sie zufällig im Lotto gewinnen, dann werden Ihnen sicher viele Zwecke einfallen, für die Sie diesen unerwarteten Gewinn verwenden können.  Dem Zufall sind viele wertvolle Dinge zu verdanken, und das große Geschenk des Lebens, wie wir es kennen, ist vielleicht eines von ihnen.  Der einzige Weg, dem gerecht zu werden, besteht darin, es so gut wie möglich auszukosten.  Viel zu oft tun wir es nicht.
Prüfungen und Unglücksfälle bringen uns oft auf die richtige Spur, unseren Zweck zu entdecken - oder wiederzuentdecken.  Das ist die eine Art, auch in den schwie-rigsten Zeiten einen Sinn zu sehen.  Wir brauchen den Glauben an die Ordnung der Dinge, damit wir in der Welt einen Sinn erkennen können und um das dafür erforderliche Verständnis zu erlangen.  Jede Kultur hat die Pünktchen der Sterne am Himmel zu anderen Konstellation mit Linien verbunden.  Der Zufälligkeit wurde eine Ordnung gegeben, um sie zu verstehen.  Wenn wir ein Muster erkennen können, dann sehen wir einen Sinn.  Wenn wir den Sinn haben, können wir den Zweck herausfinden.
Wir neigen dazu, unangenehme Dinge von uns zu weisen, ihnen keinen Platz im Muster zuzugestehen.  Manche Philosophien aber, so wie das Tao, weisen stets auf die Verknüpfung von Gegensätzen hin.  Wenn Sie nach Gutem streben, wird Ihnen auch Böses widerfahren.  Wenn Sie nach Sinn suchen, werden Ihnen auch einige unerklärliche Dinge zustoßen.  Falls Sie ein Ereignis nicht in Ihr Muster einordnen können, dann liegt es wahrscheinlich daran, dass Sie noch nicht die ganze Gestalt des Musters gesehen haben.
 
 
 
"Der Weise schaut auf das Unvermeidbare und kommt zu dem Schluss, dass es nicht unvermeidbar ist ... Der gewöhnliche Mensch schaut auf das, was nicht unvermeidbar ist, und kommt zu dem Schluss, dass es unvermeidbar ist."
DSCHUANGTSE
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 



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